von abhängigen zu erleuchteten Beziehungen

Eckhart Tolle - Lebendige Beziehungen JETZT

Ja. Sei gegenwärtig. Tauche mit deiner Aufmerksamkeit immer tiefer ins Jetzt ein und vertiefe dadurch deine Gegenwärtigkeit. Das bleibt der Schlüssel, ganz gleich ob du allein lebst oder mit einem Partner. Damit die Liebe sich entfalten kann, muss das Licht deiner Gegenwärtigkeit stark genug sein. Dann werden der Denker oder der Schmerzkörper dich nicht mehr überwältigen und dir weismachen, dass sie du sind. Dich selbst als das Sein zu kennen, das sich hinter dem Denker verbirgt, als die Stille hinter dem Gedankenlärm, die Liebe und die Freude jenseits von Schmerz, das bedeutet Freiheit, Erlösung, Erleuchtung.

Wenn du die Identifikation mit dem Schmerzkörper löst, bringst du Gegenwärtigkeit in den Schmerz und verwandelst ihn dadurch. Die Identifikation mit dem Denken aufzulösen, bedeutet, zum stillen Beobachter deiner Gedanken und deines Verhaltens zu werden. Das gilt besonders für die endlosen Wiederholungsmuster deines Denkens und für die Rollen, die dein Ego spielt.

Wenn du aufhörst, deinen Verstand mit „Selbstheit“ auszustatten, dann verliert er seine Zwanghaftigkeit, die im Prinzip darin besteht, alles zu beurteilen und auf diese Weise dem, was ist, Widerstand zu leisten. Das wiederum schafft Konflikte, Dramen und neuen Schmerz. Sobald dein Urteilen ein Ende findet, weil du das, was IST, annimmst, bist du vom Verstand befreit. Du hast Raum für Liebe, für Freude, für Frieden geschaffen.

Zuerst hörst du auf, dich selber zu verurteilen, dann hörst du auf, deinen Partner zu verurteilen. Der größte Katalysator für Veränderungen in einer Beziehung ist das totale Annehmen deines Partners oder deiner Partnerin, so wie sie sind, ohne das Bedürfnis, sie wie auch immer zu verurteilen oder zu verändern. Das bringt dich sofort in einen Raum jenseits des Egos. Dann sind alle Spielchen des Verstandes und jedes süchtige Festklammern vorbei. Es gibt keine Opfer und keine Täter mehr, keine Ankläger und keine Angeklagten. Auch jede Art der Co- Abhängigkeit und alle Verwicklungen in die unbewussten Muster des anderen, die dadurch noch unterstützt werden, finden hier ein Ende. Ihr werdet euch entweder – in Liebe – trennen oder miteinander noch tiefer in das Jetzt, in das Sein eintauchen. Kann das so einfach sein? Ja. So einfach ist das.

Liebe ist ein Seinszustand. Deine Liebe lebt nicht außen, sie lebt tief in deinem Inneren. Du kannst sie nie verlieren und sie kann dich nie verlassen. Sie ist nicht abhängig von einem anderen Körper, einer äußeren Form. In der Stille deiner Gegenwärtigkeit kannst du deine eigene formlose und zeitlose Wahrheit fühlen und sie als das unmanifestierte Leben erkennen, das deine körperliche Form beseelt. Dasselbe Leben kannst du dann tief in jedem menschlichen Wesen, in jedem Geschöpf fühlen. Du durchschaust den Schleier von Form und Trennung. Das ist die Verwirklichung von Einheit. Das ist Liebe.

Was ist Gott? Das ewige Eine Leben hinter allen Formen, die das Leben annimmt. Was bedeutet Liebe? Liebe bedeutet, die Gegenwart dieses Einen Lebens tief in dir und in allen Geschöpfen zu spüren. Es zu sein. Aus diesem Grunde ist alle Liebe die Liebe Gottes.

Liebe ist nicht wählerisch, genau wie das Sonnenlicht nicht wählerisch ist. Sie bevorzugt niemanden. Sie schließt nichts aus. Etwas auszuschließen, gehört nicht zur Liebe Gottes, sondern zur Liebe des Egos. Allerdings fühlen wir wahre Liebe mit unterschiedlicher Intensität. Es kann einen Menschen geben, der dir deine Liebe klarer und intensiver zurückspiegelt, und wenn derjenige für dich genauso fühlt, dann kann man sagen, dass ihr miteinander in einer Liebesbeziehung seid. Was dich mit diesem Menschen verbindet, verbindet dich auch mit jemandem, der neben dir im Bus sitzt oder mit einem Vogel, einem Baum, einer Blume. Nur ist die Intensität anders, mit der du es wahrnimmst.

Sogar in einer eigentlich abhängigen Beziehung kann es Momente geben, in denen etwas Wahreres durchscheint, etwas, das jenseits eurer gegenseitig abhängigen Bedürfnisse liegt. Das sind die Momente, in denen dein Verstand und der Verstand deines Partners oder deiner Partnerin kurz beiseite treten und der Schmerzkörper vorübergehend ruht. Manchmal geschieht das, wenn ihr euch körperlich nahe seid oder das Wunder der Geburt miterlebt, manchmal in der Gegenwart des Todes oder wenn einer von euch schwer krank ist – was auch immer dem Verstand die Macht nimmt.

Dann wird dein Sein enthüllt, das normalerweise hinter dem Verstand verborgen ist, und das macht wahre Kommunikation möglich. Wahre Kommunikation ist Kommunion, ist die Verwirklichung von Einheit, und somit Liebe. Normalerweise geht sie seht schnell wieder verloren, es sei denn, du kannst gegenwärtig genug bleiben, um den Verstand und seine alten Muster auszuschließen. Sobald der Verstand und die Identifikation mit ihm zurückkehren, bist du nicht mehr du selbst, sondern eine Vorstellung deiner selbst, und sofort beginnst du Spiele und Rollen zu spielen, um die Bedürfnisse deines Egos zu befriedigen. Wieder bist du ein menschlicher Verstand, der vorgibt, ein menschliches Wesen zu sein, und der mit einem anderen Verstand ein Drama veranstaltet, das dann „Liebe“ genannt wird.

Obwohl kurze Einblicke möglich sind, kann die Liebe erst wirklich erblühen, wenn du für immer von der Identifikation mit dem Verstand befreit bist, wenn deine Gegenwärtigkeit intensiv genug ist, um den Schmerzkörper aufzulösen – oder wenn du wenigstens als Beobachter gegenwärtig bleiben kannst. Dann kann der Schmerzkörper dich nicht mehr überwältigen und so die Liebe zerstören.